Vollgas-Test für weniger Kohlendioxid-Ausstoß

Projekt CO2-100minus in der «Grünen Hölle» unterwegs

15. Januar 2010 · Gregor Mausolf

Wer will sich das denn antun? Mit gerade einmal rund 70 PS über die Nordschleife des Nürburgringes – jene legendäre «Grüne Hölle», die jedem Rennfahrer und solchen, die es werden wollen, gehörigen Respekt einflößt. Rennfahrer Christian Hohenadel (33) aus Quierschied im Saarland bewegt sonst in den ADAC GT-Masters eine Corvette mit 515 Pferdestärken. Für das Projekt CO2-100minus schwang er sich jetzt hinter das Lenkrad eines der Versuchsfahrzeuge. Ein Peugeot 107 mit kümmerlichen 68 PS in den Papieren.

Da tröstet es wenig, dass Prof. Dr.-Ing. Thomas Heinze mit seinen Studenten einige PS mehr aus dem 1,0-Liter-Motörchen des Kleinwagens gekitzelt haben. Ihre Forschungen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) haben eine andere Zielsetzung, die sich bereits im Projektnamen widerspiegelt: Der CO2-Ausstoß soll auf unter 100 Gramm pro Kilometer gedrückt werden. Mit Hilfe von Autogas. 109 Gramm emittiert der normalerweise benzinbetriebene französische Zwerg laut Datenblatt. In der Praxis wird dieser Wert nicht erreicht, genauso wenig wie man es (bei nahezu allen Pkw) schafft, den Spritverbrauch aus dem Verkaufsprospekt tatsächlich auf der Straße umzusetzen. Damit liegt die Latte für das Forschungsprojekt deutlich höher, als die reinen Zahlen zunächst erwarten lassen.

Und jetzt der Nürburgring! Passt das überhaupt zusammen – CO2 sparen und rasen? «Ja glaubst Du denn, wir machen das zum Spaß?» fragt Dr.-Ing Harald Altjohann, ein weiterer am Projekt beteiligter Professor der HTW. Die Antwort liefert er sofort nach: Alle relevanten Fahrzeug- und Motordaten werden während der Fahrt auf der 20,6 Kilometer langen Strecke in der Eifel aufgezeichnet und das bei jeder der geplanten fünf Runden. Die Daten werten die Ingenieur-Studenten anschließend aus und gewinnen so Erkenntnisse über den Autogasbetrieb im Extrembereich: Vollgas, hart in die Eisen, wieder Vollgas. Das sind andere Konditionen als beim NEFZ – dem Neuen Europäischen Fahrzyklus – nach dem allgemein auf dem Prüfstand der Kraftstoffverbrauch und damit der CO2-Ausstoß ermittelt wird.

Für Hohenadel ist es die erste unmittelbare Begegnung mit Autogas – dem Alternativ-Kraftstoff Nr. 1 in Deutschland. «Ich wusste nicht einmal, dass Autogas und Erdgas nicht dasselbe ist», gibt der Saarländer offen zu. Warum auch nicht, mit dieser Unwissenheit ist er sicher nicht allein. Und genau diese Unwissenheit ist es , die der weiteren Verbreitung von Autogas (und auch Erdgas) entgegensteht. Da ist zum Beispiel die Angst vor Explosionen, obwohl der ADAC bereits 2007 mit einem Crashtest und sogar dem anschließenden Anzünden des Crashfahrzeuges eindrucksvoll bewiesen hat, wie sicher Gasautos sind. Da geht nichts in die Luft! Oder die immer noch verbreitete Ansicht, dass man mit Gasautos nicht in Tiefgaragen darf – ein Verbot, das bereits 1988 aus der Mustergaragenverordnung gestrichen wurde.

Genug der Theorie, jetzt wird's Zeit, endlich auf die Piste zu gehen. Nein, natürlich fahren! Die Schranke öffnet sich und Hohenadel gibt sofort Gas. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn der Peugeot ist monovalent ausgelegt, braucht also anders als die meisten Flüssiggas-Pkw selbst in der Startphase kein Benzin für einen runden Motorlauf. Er startet dank flüssiger Gaseinspritzung in den Ansaugtrakt direkt mit LPG (Liquified Petroleum Gas), wie Autogas international auch genannt wird. Dennoch haben Prof. Heinze und seine Studenten unnötige Komponenten – zum Beispiel den Benzintank – nicht ausgebaut. Nur so können sie direkt vergleichen, was ihre zuvor errechneten Optimierungsmaßnahmen konkret tatsächlich bringen.

Das nutzt auch Hohenadel, indem er während des Tiefflugs rund um die Nürburg zwischen beiden Kraftstoffen hin und her schaltet. Die Bedenken, ständig von PS-starken Boliden – von denen an diesem Sonntag trotz Schmuddelwetters Hunderte auf den 20,6 Kilometern meist mehr schlecht als recht unterwegs sind – überholt zu werden, erweisen sich als grundlos. Wer trotz sparsamer 70 PS kaum überholt wird, der muss es können. Hohenadel kann es. Schon im Hatzenbach, also ganz am Anfang der schnellen Taxifahrt, bügelt er gnadenlos über die Curbs. In einem Auto, in dem er erst seit gut einem Kilometer hinter dem Lenkrad sitzt. «Warum», fragt sich der Beifahrer innerlich, «habe ich nur gesagt, dass ich kein Problem mit schnellem Autofahren habe?»

Sagt er aber nicht! Und so hält Hohenadel weiter voll rein. Quiddelbacher Höhe, Flugplatz, Schwedenkreuz, Adenauer Forst blind über die Kuppe. Klangvolle Namen der Nürburgring-Nordschleife fliegen nur so vorbei. Doch Hohenadel findet noch Zeit für Erklärungen zur Strecke – «hier hat Niki Lauda 1976 seinen katastrophalen Unfall gehabt» – und auch zur Ideallinie: «diese Kurve musst Du ganz links anfahren, sonst passt die nächste nicht».

Zwischendurch ein Knopfdruck. Mal schnell auf Benzin umschalten, dann wieder zurück auf Flüssiggas. Hat der Mann sonst nichts zu tun? Der soll gefälligst die Hände am Lenkrad halten! Doch genau deshalb haben wir ja einen Profi zu dieser Testfahrt eingeladen. Einen, der trotz Vollgas und einer extremen Strecke – die die Nordschleife ja unbestritten ist – noch locker bleibt. Bleiben kann! Entsprechend schnell entkrampft sich auch der Beifahrer. Hochachtung, was mit einem solchen 70-PS-Zwerg möglich ist, wenn ein Experte am Volant sitzt.

Nicht nur der Beifahrer ist begeistert, auch Hohenadel. «Du merkst absolut keinen Unterschied zwischen Benzin und Autogas». Kein Ruckeln beim Umschalten, nicht einmal bei Volllast. Und so kann er sich sehr gut vorstellen, dass Gasautos viel stärker als bisher im Motorsport zu Einsatz kommen. Denn mit dem Projekt v300plus – dem Vorgänger vom Projekt CO2-100minus – haben die Saarbrücker Professoren und ihre Studenten schon eindrucksvoll bewiesen, dass Autogas nicht nur was für Sparfüchse ist und der Spaß nicht auf der Strecke bleiben muss. 303,6 km/h zeigte damals das Messgerät auf dem Hochgeschwindigkeitsoval in Papenburg.

Jetzt liegt der Fokus auf der CO2-Einsparung. Mehr als 20 Prozent werden es gegenüber dem Benzinmotor vor der Umrüstung sein. Kleinwagen wählten die Professoren Heinze und Altjohann als Versuchsfahrzeuge, um die magische Grenze von 100 Gramm CO2 pro Kilometer zu unterschreiten – denn Physik und Chemie können auch sie nicht außer Kraft setzen. «Im Prinzip», so erklärt Altjohann, «funktioniert das mit jedem Ottomotor». Also auch bei Hohenadels Corvette, und hier wäre die CO2-Einsparung in Gramm sogar deutlich höher.

Mit gerade einmal rund 70 PS über die Nordschleife des Nürburgringes – na und! Ein Riesenspaß war´s, den Porsches und Golf GTI zu zeigen, wo der Hammer hängt. Wenn man dann noch ein Hochschulprojekt nach vorne bringt, hat´s sich gleich doppelt gelohnt. Und durch den Umweg über die «Hohe Acht» werden die Saarbrücker Wissenschaftler mit der jetzt noch feineren Programmierung ihres Autogas-Steuergerätes wieder etliche Milligramm CO2 einsparen können.

Homepage: http://www.projekt-co2-100minus.de

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Die zahlreichen Pressefotos zur Testfahrt auf dem Nürburgring stellen wir auf einer eigenen Seite zur Verfügung.

Pressekontakt für das Projekt CO2-100minus

Gregor Mausolf

Pressebüro gm-press
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48268 Greven
Telefon: +49 (0) 2571 577 427
mobil: +49 (0) 171 8 330 878
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Prof. Dr. Harald Altjohann

HTW Saarland
Goebenstraße 40
66117 Saarbrücken
Telefon: +49 (0) 6841 65 540
mobil: +49 (0) 178 3 886 079
E-Mail: harald.altjohann@gmx.de

Prof. Dr. Thomas Heinze

HTW Saarland
Goebenstraße 40
66117 Saarbrücken
Telefon: +49 (0) 681 5 867 254
E-Mail: Heinze@htw-saarland.de

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