«Von der Quelle bis zum Rad» lässt Autogas beim CO2 punkten

Prof. Heinze referierte vor Fachjournalisten in Münster

Dezember 2009

Eine ganzheitliche Betrachtung der CO2-Emissionen hat Prof. Dr.-Ing. Thomas Heinze vom Projekt CO2-100minus in den Mittelpunkt eine Referates gestellt, das er in Münster auf der «11. Fachpressekonferenz Technik» der Westfalen AG vor Journalisten aus ganz Deutschland hielt. Berücksichtige man die alle Faktoren von der Quelle bis zum Rad («Well to wheel»), so wird der CO2-Vorteil, den Erdgas gegenüber Autogas hat, durch teilweise extrem lange Transportwege mit Leitungsverlusten sowie den hohen elektrischen Aufwand zur Komprimierung wieder zunichte gemacht.

Zunächst gab Prof. Heinze aber einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung beim Autogas: Der Ursprung der Autogastechnologie liegt in den 1930er Jahren. In Deutschland begann die Nutzung von Flüssiggas als Antriebsenergie für Kraftfahrzeuge 1935, Initialzündung war die industrielle Verfügbarkeit und – auch damals schon – eine Steuerermäßigung von 50 bis 75 Prozent auf den neuen Kraftstoff. 1939 wurde sogar der Gasbetrieb für Omnibusse vorgeschrieben. Das Tanken gestaltete sich damals noch recht aufwändig durch Flaschenwechsel zum Beispiel auf Sackkarren.

Zunächst einstufige Verdampfer

Die Verdampfer und Druckregler waren einfach: die einstufigen Treibgasanlagen verzichteten auf eine Vorwärmung, die Nachverdampfung übernahm ein Rüssel in der Abgasanlage. Die Solex-Pintsch-Treibgasregler waren bereits zweistufig aufgebaut, die Vorwärmung erfolgte durch Rohrschlangen an der Abgasanlage. Der zweistufige Pallas-Treibgasregler sorgte für eine Vorwärmung durch Motorkühlwasser vor und während der Entspannung.

Der nächste Technologiesprung erfolgte erst in den 1980er Jahren nach Einführung der G-Kat-Systeme. Die zweite Generation der LPG-Systeme verfügte über eine elektronische Gasmengenregelung per Lambdasonde sowie über ein schrittmotorgesteuertes Gasregelventil. Ab etwa 1990 stellte die dritte Generation Gaseinblasventile als Gas-Rails zur Verfügung. Elektronisch gesteuert wurde das System nach dem Master-Slave-Prinzip. Bis heute ist diese Technik die am weitesten verbreitete.

Die vierte Generation der LPG-Systeme wurde ab etwa 1995 entwickelt und ist unter dem Namen Liquid Propane Injection des Herstellers Vialle AFS aus den Niederlanden bekannt. LPI verfügt über Flüssigphasen-Einspritzventile; die elektronische Ansteuerung erfolgt ebenfalls als Master und Slave. Im Tank befindet sich eine Autogas-Kraftstoffpumpe mit Ringleitung. Die Vorteile: Das System ist auch für monovalenten Betrieb geeignet. Der Drehmomentverlust tritt nicht ein und durch die Nutzung der Verdunstungskälte verfügt LPI über einen höheren Liefergrad.

Die fünfte Generation (Liquid Propane direct injection) zum Einsatz bei direkteinspritzenden Motoren nutzt das Hochdruck-Kraftstoffsystem der Motorenhersteller. LPdi verfügt über eine Technik zur Umschaltung der Kraftstoffsorte am Eingang der Hochdruckpumpe. Eine hydraulische Umschalteinheit verbindet Benzin, Vorlaufleitung oder beide Autogas-Leitungen mit der Hochdruckpumpe.

Probleme bei der Homologation

Solche Autogassysteme für direkteinspritzende Ottomotoren stehen unmittelbar vor der Markteinführung sofern die Homologation, das heißt das Angleichen der Kfz-Zulassung, geklärt werden kann. Die R67-Norm erkennt allerdings keine Arbeitsdrücke an, die größer sind als 30 bar. Die Behörden bestehen bisher auf einer Beantragung der Homologation durch den Hersteller. Die Einführung der neuen Technologie zur Umrüstung von Serienfahrzeugen macht eine Überarbeitung der geltenden Homologationsverfahren durch den Gesetzgeber dringend notwendig. Im praktischen Einsatz wird die LPdi-Technik den Autogasverbrauch senken und zu einer weiteren Einsparung von CO2-Emissionen führen.

In einem systematischen «Well to Wheel»-Vergleich, der sämtliche Schritte der Bereitstellung des Kraftstoffs vom Bohrloch bis zum Fahrzeugtank ermittelt, hat die Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) ermittelt, dass Erdgasfahrzeuge gegenüber Autogasfahrzeugen etwa fünf Prozent weniger CO2 ausstoßen. Autogasfahrzeuge erreichen unter Berücksichtigung realer Homologationswerte 14,4 Prozent CO2-Einsparungen gegenüber vergleichbaren Benzinern. Allerdings kommen die theoretisch günstigeren Werte für Erdgas je nach Bezugsweg und Fahrzeug nicht vollständig oder gar nicht zum Tragen, sodass Autogasfahrzeuge eine gleiche oder sogar höhere CO2-Einsparung aufweisen können.

Hohe Einsparungen bei Fahrtests

Weitere Optimierungen des Autogas-Systems kamen kürzlich vom Projekt CO2-100minus, wie Prof. Heinze weiter den Journalisten erläuterte. Die am Projekt beteiligten Professoren und Ingenieurstudenten der Saarbrücker HTW entwickelten ein neuartiges Steuergerät, das die im Vergleich zu Superkraftstoff höhere Oktanzahl von Autogas nutzt. Diese beträgt im Schnitt 107 Oktan ROZ im Vergleich zu 95 Oktan ROZ von Eurosuper. In der Folge kann die CO2-Emission noch weiter reduziert werden. So haben die Ergebnisse der Praxisfahrversuche Prof. Thomas Heinze und seine Studenten außerordentlich überrascht: Obwohl am Prüfstand nur eine Einsparung von maximal sechs Prozent Kraftstoff nachgewiesen konnte, stellten sich bei mehreren ersten Versuchsreihen auf der Straße Einsparungen von über zehn Prozent ein. Die Vermutung der Entwickler an der Hochschule: Das durch das Steuergerät erhöhte Drehmoment führt beim Fahrer intuitiv zum Fahren in längeren Gängen und damit zu weiteren Einspareffekten beim Kraftstoffverbrauch und bei der Emission von CO2.

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